Quecksilberbatterien?

Obwohl zu diesem Thema bereits einiges im Netz zu finden ist, erhalte ich doch eine Menge Anfragen dazu und schreibe meine Standardantwort (okay, etwas ausgewalzt) einfach mal hier auf.

Das Problem

Die in den 60er und 70er Jahren gebräuchlichen Quecksilberbatterien für Kameras und Belichtungs­messer zeichnen sich vor allem durch konstante Spannung über die Lebenserwartung aus, d.h. die Nennspannung von normalerweise 1.35V blieb solange (nahezu) konstant, bis die Batterie - dann eben ziemlich plötzlich - schlapp machte.

Dies ermöglichte die Konstruktion von recht einfachen Belichtungs­messer­schaltungen, bei der die Spannung der Batterie sozusagen direkt am Output beteiligt war (man verzeihe meine laienhafte Ausdrucks­weise, ich verstehe im Grunde rein gar nichts von Elektrik). Dies ermöglichte unter anderem auch, dass die Belichtungs­messer normaler­weise mit einer Batterie auskamen.

Leider ist Quecksilber bekanntlich ein hochgiftiges Schwermetall, sodass diese Batterien nach und nach in fast allen Ländern verboten wurden. Zwar kann man gelegentlich immer noch welche finden (in Foto­geschäften, in denen lange nicht mehr auf­geräumt wurde, oder in dubiosen Läden in dubiosen Gegenden), aber die Luft wird doch dünner. Allerdings halten diese Batterien auch im un­ange­brochenen Zustand ihre Spannung, sodass man ruhig mal einen uralten "Schläfer" versuchen kann. Die Chancen stehen gut.

Die Quecksilberbatterien kamen vorzugsweise in zwei Größen: 625 und 675, für beide gibt es größen­gleiche Nachfolger in Alkali bzw. Silberoxid (Größen­bezeichnung ebenfalls 625 / 675, im Falle der 675er Größe auch SR44, LR44, EPX76 usw.).

Allerdings haben die Alkali- und Silberoxidbatterien nicht nur andere Nennspannungen (1.5V bzw. 1.55V), sondern ihnen fehlt auch die konstante Spannung der Quecksilber­batterien, d.h. die Spannung baut sich über die Lebensdauer mehr oder weniger linear von z.B. 1.6 auf 1.0V ab, bis der Belichtungs­messer irgendwann nichts mehr anzeigt.

Da der Belichtungsmesser aber, wie oben geschrieben, sehr sensibel auf die Spannung reagiert, zeigt er eigentlich nur über einen kleinen Teil der Batterie­lebensdauer korrekt an, nämlich dann, wenn die Batterie­spannung bei ungefähr 1.35V liegt. Das führt zu fehlbelichteten Aufnahmen über den Rest der Lebensdauer. Mit Farbnegativfilm mag man damit durchkommen, da dieser extreme Belichtungs­spielräume hat, bei s/w und besonders bei Dia wird es kritisch.

Die Lösung

Es gibt allerdings eine Batterie­technologie, die die konstante Spannung bietet, die wir brauchen: Zink-Luft. Noch toller ist, dass diese Batterien in der (fast) genau richtigen Nennspannung (1.4V) und der richtigen Größe (675) massenhaft und billig angeboten werden, nämlich für Hörgeräte. Jeder Drogeriemarkt und jede Apotheke halten also die Lösung des Hauptproblems aller Besitzer von 60er/70er-Jahre Kameras bereit.

Die 675er-Batterien sind etwas kleiner als die 625er, lassen sich also mit Hilfe eines passenden O-Rings aus dem Sanitär­fachhandel oder einfach eines gerolltn Papier­streifens gut in 625er Batteriefächer einpassen. Die Fa. Wein bietet auch speziell für fotografische Zwecke Zink-Luft-Batterien in allen Größen an, die genau 1.35V haben und angeblich sogar länger halten sollen (s.u.)

Der Haken

oder: There is no such thing as a free lunch.

Der Nachteil der Zink-Luft-Batterien ist ihre Haltbarkeit. Die Spannungs­abgabe ist in diesem Fall ein korrosiver Prozess. Sobald man das Schutzpapier von der Batterie abgezogen hat und das enthaltene Zink somit (durch ein winziges Luftloch) in Verbindung mit Sauerstoff tritt, verbraucht sich die Batterie (abhängig davon, ob Spannung abgenommen wird oder nicht) in wenigen Tagen bis Wochen. Man kann in begrenztem Maße gegensteuern, indem man die Batterie bei Nichtbenutzung immer wieder aus der Kamera nimmt und das Luftlöchlein zuklebt, aber das ändert nichts am grundsätzlichen Problem.

Da die Batterien aber, wie gesagt, in fast jedem Kaff erhältlich und dazu noch billig sind, ist das, wie ich finde, weit weniger dramatisch als falsch belichtete Aufnahmen oder ein Umweltgift in der Kamera.

Geschrieben im März 2010, ef
camera

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